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Wie misst man den Frequenzgang eines Lautsprechers?

Daniel Gattig Daniel Gattig
Marketingchef im
Lautsprechershop
Lautsprechershop Daniel Gattig GmbH

Messen des Frequenzgangs
Andreas Scherrer befragte dazu
Daniel Gattig (4/2015).
 
 

Andreas:
Wie sollte ein Frequenzgang aussehen?

Daniel:
Ein Lautsprecher sollte alle Frequenzen ausgewogen wiedergeben. Der Lautsprecher sollte eine möglichst originalgetreue Reproduktion abbilden. Somit würde der Frequenzgang für den "SUPER" Lautsprecher eine Gerade ergeben. In dem linken Diagramm ist diese Ideallinie rot dargestellt. In der Realität existieren aber Differenzen zu diesem Ideal. Das Ziel einer guten Lautsprecherkonstruktion ist, die Differenzen so gering wie möglich zu halten.
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Daniel:
Für die objektive Beurteilung von einem Lautsprecher bzw. dem Messdiagram sind die Achsen und deren Skalierung besonders wichtig. Auf der horizontalen Achse (von links nach rechts und in der Abbildung rot) ist die Frequenz in Herz (Hz) dargestellt. Eine Besonderheit ist die logarithmische Skalierung der X-Achse (rot). Die vertikale Achse (von unten nach oben in der Abbildung grün) zeigt den Schalldruckpegel in Dezibel (dB).
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Andreas:
Was ist gut und was ist schlecht bei einer Messung?

Daniel:
Es kommt auf die Überhöhungen und Einbrüche über den Frequenzgang an. Außerdem auf deren Amplitude und ihre Bandbreite. Der Mensch kann Einbrüche weniger und Überhöhungen besser wahrnehmen. Ein schmal bändiger Einbruch (geringe Bandbreite) von 3 dB Intensität ist kaum zu hören. Schauen wir uns zur Erläuterung die Verläufe von Frequenzgangmessungen etwas genauer an. Eine Überhöhung von 3 dB mit einer Bandbreite größer als 1000 Hz in einem Bereich von 2000 bis 6000 Hz ist deutlich zu Hören. Das menschliche Gehör ist in diesem Bereich besonders empfindlich. In unserem Beispiel reicht die gezeigte Überhöhung von der unteren Grenzfrequenz (f1) von 2 kHz bis zur oberen Grenzfrequenz (f2) von 8 kHz. Somit umfasst die Bandbreite 6000 Herz oder 2 Oktaven. Die Amplitude der Überhöhung beträgt 6 dB. Damit der Klang vom Lautsprecher nicht an Natürlichkeit verliert, sollte eine solche Überhöhung mit einem Saugkreis oder Sperrkreis ausgeglichen werden.
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In der Abbildung ist die Bandbreite und die Amplitude der Überhöhung (im Englischen = Peak) dargestellt.
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Bei der Beurteilung vom Frequenzverlauf eines Lautsprechers sollte auch auf die Skalierung geachtet werden. Gerade beim Vergleich von Messungen von unterschiedlichen Quellen ist es oft schwierig auf den ersten Blick einen Vergleich zu ziehen. In der folgenden Abbildung ist eine Messung von einem Hochtöner abgebildet. Die beiden Diagramme unterscheiden sich nur durch die Skalierung der vertikalen Achse (dB SPL). Auf der linken Seite kann man einen sehr schönen geraden Frequenzgang sehen. In dem rot eingefassten Bereich sind SPL-Unterschiede von 8 dB zu sehen. Das Bild rechts zeigt den gleichen Frequenzverlauf, jedoch mit gestreckter y-Achse.

Bei vielen Messungen wird das Messergebnis geglättet dargestellt. Diese Glättungsfilter funktionieren analog den Weichzeichenfiltern bei Bildern. Bei unserem Messdiagram werden durch die Glättung benachbarte Extreme über eine Rundung angeglichen. Das hat den Vorteil, dass man einen Trend besser erkennen kann (z.B. fallender Frequenzverlauf). Der Nachteil ist, dass die Auflösung leidet und somit Überhöhung und Einbrüche nicht mehr mit vollständiger Amplitude gezeigt werden. Man sollte also die Stärke der Glättung beachten.
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Andreas:
Wie funktioniert die Frequenzgangmessung bei Mehrwegesystemen?

Daniel:

Als Beispiel schauen wir uns einen 2-Wege Lautsprecher an. Die grüne Linie ist der Frequenzgang des Hochtöners. Die rote Linie ist der Frequenzgang des Tieftöners und die blaue Linie ist die gemessene Summe aus beiden Chassis. Die Trennfrequenz liegt im Diagramm bei 1500 Hz und wird durch den Schnittpunkt der Hoch- und Tieftonkurve markiert. Der Schnittpunkt der beiden Kurven sollte 6 dB unter dem linearen Frequenzverlauf vom System liegen.

Andreas:
Warum muss der Schnittpunkt bei minus 6 dB liegen?

Daniel:
Im Übernahmebereich ist es wichtig, dass Hoch- und Mitteltöner in Phase spielen, ansonsten gibt es richtungsabhängig unkontrollierte Erhöhungen oder Auslöschungen. Liegt der Schnittpunkt 6 dB unterhalb der gemessenen Summenkurve, so weiß man, dass beide Chassis im Übernahmebereich in Phase spielen.

Andreas:
Was ist eine Messung unter Winkel?

Daniel:
Die Schallabstrahlung des Lautsprechers ist nicht in alle Richtungen gleich. Die meisten Messungen werden mit annähernd 1 m Abstand zwischen Messmikrofon und Lautsprecherfront durchgeführt. Die Höhe und die genaue Ausrichtung vom Mikrofon erläutern wir im kommenden Newsletter. Für die Messung unter Winkel wird das Mikrofon nach der Messung auf Achse (0°) aus Sicht des Lautsprechers in 15° Schritten horizontal verschoben. Die folgenden Bilder zeigen die Positionierung vom Mikrofon im Bezug zum Lautsprecher. Dabei steht der Lautsprecher unverändert an seinem Platz und das Mikrofon wird mit konstantem Abstand und konstanter Höhe in 15°, 30°, 45° und 60° positioniert.

In der Praxis wird der Lautsprecher auf einem Drehteller bewegt und das Mikrofon bleibt unverändert. Dazu werden wir in den kommenden Newslettern "Clio Pocket" von Audiomatica vorstellen und in einem Praxistest die genaue Vorgehensweise für Messungen beschreiben.

Zurück zur Messung unter Winkel: In dem linken Diagramm kann man die verschiedenen Messungen in unterschiedlichen Farben sehen und das Rundstrahlverhalten vom Lautsprecher analysieren.
 
- Blau = 0°
- Grün = 15°
- Rot = 30°
- Violett = 45°

Andreas:
Dann ist also der Reihe nach der Frequenzgang unter den verschiedenen Winkeln zu messen?

Daniel:
Genau!

Die Abbildung zeigt den Testlautsprecher mit einem zirka 1 m entfernten Messmikrofon. Das Mikrofon ist frontal zum Lautsprecher (0° Winkel) ausgerichtet.
Die Abbildung zeigt den Testlautsprecher mit einem zirka 1 m entfernten Messmikrofon. Das Mikrofon ist im 15° Winkel zur Lautsprecherfront ausgerichtet. Die Höhe vom Mikrofon bleibt bei der Analyse vom horizontalen Rundstrahlverhalten unverändert.
Die Abbildung zeigt den Testlautsprecher mit einem zirka 1 m entfernten Messmikrofon. Das Mikrofon ist im 30° Winkel zur Lautsprecherfront ausgerichtet. Die Höhe vom Mikrofon bleibt bei der Analyse vom horizontalen Rundstrahlverhalten unverändert.
Die Abbildung zeigt den Testlautsprecher mit einem zirka 1 m entfernten Messmikrofon. Das Mikrofon ist im 45° Winkel zur Lautsprecherfront ausgerichtet. Die Höhe vom Mikrofon bleibt bei der Analyse vom horizontalen Rundstrahlverhalten unverändert.

Andreas:
In welcher Höhe ist das Mikrofon anzuordnen?

Daniel:
Unser Ziel ist es einen möglichst linearen Frequenzgang für den Hörer zu erzeugen. Bei 2-Wege-Lautsprechern sollte man von der Mitte zwischen beiden Lautsprechern auf der Schallwand ausgehen und von dort etwa einen Meter in Richtung des Zuhörers das Mikrofon aufstellen. Bei Standboxen, deren Mitte zwischen Hoch- und Mitteltöner sich etwa auf Ohrhöhe befindet, ist das Mikrofon also ein Meter in horizontaler Richtung von der Mitte entfernt aufzustellen.

Andreas:
Vielen Dank Daniel.

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