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Was ist beim Selbstbau wichtig?

Dr. Joseph d'Appolito Dr. Joseph D'Appolito,
Entwicklungsdirektor bei Snell Acoustics,
Berater für viele Hersteller
einer der bekanntesten Boxen-Entwickler
Autor von z.B.: Lautsprecher-Messtechnik
diverse Entwicklungen

die Grundlagen der Lautsprecherboxenentwicklung
Dr. Peter Strassacker befragte dazu Dr. Joseph d'Appolito (5/2004).
Original in englisch
 
 

Peter:
Joe, wir wollen unseren Kunden Informationen geben, damit sie sehr gute Lautsprecher bauen können, an denen sie sich 10 oder 20 Jahre erfreuen. Was ist Ihre Empfehlung?

Joe:
Man ist heute über die Kochbuch-Phase des Lautsprecherbaus hinaus. Es gibt viele Mess- und Designwerkzeuge, die uns helfen, sehr wiedergabetreue Lautsprecher zu bauen.

Die Allgemeinheit und die Selbstbauer verlangen nach immer besserem Klang, wissen jedoch nicht, wie man diesen bekommt. Professionell entworfene Bausätze sind hier für den Selbstbauer der einzige Weg um dies Leistungsvermögen auf dem höchsten Stand der Technik zu erhalten.

Wie zuvor gesagt, können wir nicht einfach einige Formeln für Frequenzweichenentwicklung aus einem Buch verwenden. Die Impedanz und der Frequenzgang jedes Treibers (Lautsprechers) ist zu ermitteln und daraus ist die genau dazu passende Weiche abzuleiten. Dazu sind auch Fragen zum Typ des Lautsprechers, zum Zusammenspiel mehrerer Lautsprecher, die Berücksichtigung von Beugungseffekten und Systemimpedanz usw. zu berücksichtigen.

Peter:
Ja, Lautsprecher, Gehäuse und Frequenzweiche müssen zueinander passen und die Weiche ist nur für diese Kombination gemacht. Welche Ideen haben Sie über Lautsprecher, das Zusammenspiel mehrerer und Beugungseffekten, etc?

Joe:
Lautsprecher-Typen: Der gängigste ist der dynamische Treiber, der die Hochtonkalotte, die Mitteltonkalotte und -konus, als auch den üblichen Konustieftöner einschließt, die alle aus einer Schwingspule und einem Magneten bestehen.

Diese Lautsprecheklasse ist über 80 Jahre alt und hat sich zu einem hervorragenden Übertrager entwickelt. Die Lautsprecher klassen sich relativ leicht in Mehrwegesysteme integrieren und sind daher für den erfolgreichen Selbstbau sehr nützlich.

Exotischere Treiber wie Bändchenhoch- und -mitteltöner sind für experimentierfreudige Selbstbauer interessant, aber ihr Rundstrahlverhalten ist völlig anders, was ihre Integration in Mehrwegesysteme schwierig macht.

Mehrwegeboxen: Je mehr Lautsprecher in der Box gut zusammen spielen sollen, desto schwieriger ist die Entwicklung. Nach Schablone vorzugehen, führt nicht zu der Leistungsfähigkeit, die wir heute erwarten. Das verwenden einiger Formeln aus Büchern führt nicht zum Ziel. Die frequenzabhängige Impedanz, der Frequenzgang, und die Possition jedes Treibers/Lautsprechers bestimmt die Weiche für den einzelnen Lautsprecher. Dies erfordert hervorragendes Messequipment und Lautsprechersimulations- und Optimierungs-Software. Für den Selbstbau sind professionell entworfene Bausätze der einzige Weg, der zum Ziel führt.

Wie komplex soll nun eine Mehrwegebox werden? Ich denke mit heutigen Treibern kann man jegliche Leistungsfähigkeit mit einem 3-Wege-System erzielen. Mehr als 3 Wege sind oft schwer korrekt zu integrieren, insbesondere zwingt es uns den sehr kritischen Mitteltonbereich aufzuteilen. Eine nahtlose Trennung der Mitten ist sehr schwierig.

Beugung: Über Beugungseffekte wird viel gesprochen, wenige verstehen sie. Bei HiFi zuhause sind die wesentlichen Beugungseffekte, diejenigen, die von der Kante der Schallwand erzeugt werden. Der Schall breitet sich zur Kante aus, die zur neuen, zweiten Schallquelle wird. Zwei Fragen tun sich auf: 1) wie kontrolliert man die Beugung? und 2) wie wichtig ist die Beugung für den Klang der Box? Die erste Frage ist eine Frage an den Ingenieur, die zweite Frage ist eine Frage der Einstellung.

1) Zuerst zum Mythos, dass eine runde Ecke die Beugung verhindert. Beugung ist wellenlängeabhängig. Beugungseffekte sind wie alles in der Akustik wellenlängeabhängig. Bei stehenden Lautsprechern kommt die Beugung meist von den auf den Boden zulaufenden Kanten. Falls die runde Ecke eine weiche Abstrahlung ders Tons von der Schallwand erzielen soll, so muss der Radius der Kante in der Größenordnung der Wellenlänge sein. Ein Radius von 2,54 cm (1 Inch) entspricht einer Frequenz von 13,5 kHz.

So hätte nicht mal diese Kante eine Auswirkung auf die Mitten und den Sprachbereich. Beugungseffekte sind auch abhängig vom Winkel. Ihr Effekt schwächt sich schnell ab, wenn man von der Achse wegschwenkt. Somit haben sie geringe Auswirkungen auf die Leistungsabgabe des Lautsprechers. Da man die Leistung nutzt, um die Ausgeglichenheit im Frequenzbereich zu beurteilen, hat die Beugung somit nur eine geringe Auswirkung auf diese.

2) Was ist mit der Reflexion? Beim Mensch wird die erste Schallfront genutzt, um die Quelle zu lokalisieren. Das geschieht in den ersten 0,3-0,4 ms. Beugung ist so weit zeitverzögert, wie der Schall vom Lautsprecher zu Kante benötigt. Das ist auch um 0,3 ms; so trifft die gebeugte Welle 0,3 ms später als die erste ein, wenn man auf der Abstrahlachse ist.

Der gebeugte Schall ist um einige dB gegenüber der ersten Wellenfront leiser (Beugung in gut entworfenen Lautsprechern, bringt nicht mehr als 1 dB Schwankungen zur Schallantwort auf Ache). Nach meiner Erfahrung strahlen Lautsprecher mit derart starker Beugung immer noch sehr gut ab.

Peter
Danke Joe.

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