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Bassabstimmung mit den Thiele und Small Parametern

Peter Strassacker Dr. Peter Strassacker
seit 1977 Lautsprecherbau
Bücher über Materialforschung und Feldtheorie
Entwicklung von Lautsprechern

Frank Kleiber befragte zu den Thiele & Small-Parametern
Peter Strassacker (7/2004).
 

Frank:
Peter, wozu sind die Thiele und Small Parameter gut?

Peter:
Als ich in den 70er Jahren begann Boxen zu bauen, musste man die Bassabstimmung ausprobieren. Das bedeutete viele Gehäuse aufbauen und viele Tieftöner testen. Dies war sehr zeitaufwändig und kostspielig. Die Frequenzgänge in den Datenblättern der Hersteller geben hier keine Hilfe, da der Bass vom Gehäuse abhängt, in dem er eingebaut ist. Dann erstellten A. N. Thiele und Richard H. Small (T&S) ein Rechenmodell, mit dem man den Frequenzgang des Basses ausrechnen kann.

Frank:
Was wird dazu benötigt?

Peter:
Nur mit den Daten (T&S-Parametern):
- Freiluftresonanzfrequenz Fs
- Äquivalenzvolumen Vas
- die Gesamtgüte des Chassis Qts (aus Qes und Qms)
lässt sich der Bass ausrechnen (siehe auch Berechner für geschlossenen Boxen und Bassreflexboxen).

Frank:
Wie kann man die Parameter ermitteln?

Peter:
Indem man das Datenblatt zum Lautsprecher liest oder mit Impedanzmessungen am Lautsprecher.

Frank:
Peter, was bedeuten die Parameter?

Peter:
Die ganz wesentlichen Parameter sind:

Die Resonanzfrequenz Fs (Frequency speaker)
Dieser Parameter ist die Freiluft-Resonanzfrequenz eines Lautsprechers. Anders ausgedrückt: es ist die Frequenz, mit der der Lautsprecher selbst bevorzugt schwingt - die Frequenz ist durch das Gewicht der Membran mit Schwingspule und die Rückstellkraft der Einspannung (Sicke und Zentrierspinne) bestimmt.

Äquivalenzvolumen Vas (Volume acoustic speaker)
Vas ist ein künstlich geschaffenes Maß für die Rückstellkraft der Membraneinspannung (Sicke und Zentrierspinne). Es ist das gedankliche Luftvolumen, das durch die Luftkompression hinter der Membran die Membran so stark zurück drückt, wie es die Einspannung des Lautsprechers tut. Ein großer Wert ist wie ein großes Luftvolumen, das kaum komprimiert wird und daher wenig stark zurück drückt; ein kleiner Wert deutet auf eine sehr steife Einspannung hin.

Qts - Gesamtgüte (quality total speaker)
Qts ist das Maß der Gesamtgüte des Treibers und wird aus den Größen Qms und Qes berechnet: Qts = (Qms * Qes)/(Qms + Qes).

Qms - mechanische Güte (quality mechanical speaker)
Qms ist ein Maß für die mechanische Güte, die abhängig ist von den Verlusten der mechanischen Aufhängung (Sicke und Zentrierspinne) des Lautsprechers ist. Dieser Wert sollte möglichst groß sein.

Qes - elektrische Güte (quality electrical speaker) Qes ist ein Maß für die elektrische Güte; man könnte dies auch als Stärke des Antriebs bezeichnen: Je kleiner Qes ist, desto stärker ist der Antrieb, der meist aus Schwingspule und Magnet besteht.
 

Frank:
Gibt es Faustformeln, welcher Lautsprecher für welches Gehäuse geeignet ist?

Peter:
Ja, die gibt es; hier dazu eine Tabelle:
 

Wert von Qts Beschreibung Eignung des Lautsprechers für
0,2-0,4 sehr starker Antrieb Hörner
0,3-0,5 starker Antrieb Bassreflexboxen, Hörner
0,4-0,6 mittlerer Antrieb geschlossene Boxen
0,5-0,7 schwacher Antrieb Transmissionline-Boxen, Dipole
> 0,7 sehr schwacher Antrieb Dipole, Einbau in Auto-Hutablage

Frank:
Peter, gibt es weitere wichtige Parameter?

Peter:
Ja es gibt weitere Parameter, die häufig benötigt werden:

der Gleichstromwiderstand Re (oder auch RDC genannt)
Im Gegensatz zur Impedanz, also dem Wechselstromwiderstand, der sich über den Frequenzbereich ändert und bei der Resonanzfrequenz sehr hoch ist, ist der Gleichstromwiderstand ein fester Wert. Er ist etwa 30% geringer als die Nennimpedanz und gibt den Widerstand für Gleichstrom an. Dieser Widerstand kommt durch den ohmschen Widerstand der Spule zustande. Er wird in Ohm gemessen.

die Schwingspulen-Induktivität Le
Die Schwingspule - die ja letztendlich eine Spule ist, hat wie diese eine Induktivität. Diese bewirkt einen mit steigender Frequenz steigende Impedanz. Die Induktivität wird meist in Milli (=tausendstel) Henry, abgekürzt mH angegeben.

der Kraftfaktor BxL oder BL
Ausgedrückt in Tesla Meter oder in Kraft / Stromstärke (N/A). Der Faktor gibt an, welche Kraft bei einem Ampere Strom auf die Membran ausgeübt wird, wenn man sie fest hält. Je größer der Wert ist, desto stärker ist der Antrieb und desto besser kontrolliert der Antrieb die Membran.

die bewegte Masse Mmd
sie setzt sich aus den Massen der bewegten Teile: Membran, Sicke, Zentrierspinne, Dustcap und Spule zusammen.

die effektive bewegte Masse Mms (Mass mechanic speaker)
Dieser Parameter setzt sich aus der bewegten Masse Mmd des Lautsprechers und Luftmasse auf der Membrane (die ja auch bewegt werden muss) zusammen.

Membranhub Xmax
Xmax ist ein Maß für die maximale lineare Auslenkung und wird in mm angegeben. Es ist der Weg, den die Spule zurücklegen kann, ohne das Magnetfeld zu verlassen. Xmax = 1/2 (Schwingspulenhöhe - Polplattendicke)

Membranfläche Sd
Dieser Parameter gibt die effektive Membranfläche in cm² an.

Empfindlichkeit SPL
Die Empfindlichkeit gibt an, wie laut der Schallwandler spielt. Als Standard haben sich die Angaben:
- dB/W/m, also die Lautstärke bei einem Watt in einem Meter Entfernung oder
- dB/2,83V/m, also die Lautstärke bei 2,83 V (bei 8 Ohm Impedanz gleichbedeutend mit 1 Watt)
durchgesetzt.

Frank:
Peter, kann man mit den Parametern auch selbst die Abstimmung berechnen?

Peter:
Ja nachfolgend die Formeln:

Geschlossene Gehäuse:
Benötigte T&S-Parameter:
fs = Freiluftresonanz
Vas = Äquivalenzvolumen
Qts = Gesamtgüte
Qtc = Gesamtgüte der zu erstellenden Lautsprecherbox

Berechnung des Boxenvolumens Vb:

Vb = Vas / ((Qtc²/Qts²) - 1)
dabei ist die Resonanzfrequenz fc der geschlossenen Box:
fc = Qtc * fs / Qts

Welche Güten Qtc sind für die geschlossene Box sinnvoll:
- Qtc = 0,5 ist für den Highend Musikhörer mit fast keiner Tiefbass-Ausbeute
- Qtc = 0,577 (Bessel-Charakteristik) mit idealem Phasenverhalten, jedoch geringer Bassausbeute
- Qtc = 0,7-0,9 für die Allround Hörer, wobei Qtc=0,707 (Butterworth) oft als Optimum angegeben wird.
- Qtc > 0,9 ??? für Anhänger einer maximalen Bassausbeute für geschlossene Gehäuse, was oft etwas wummerig klingt.

Bassreflexgehäuse:
Benötigte T&S-Parameter:
Fs = Resonanzfrequenz des Lautsprechers
Fc = Einbauresonanz
Fb = Tuningfrequenz der Box
Qts = Gesamtgüte des Woofers
Qtc = Einbaugüte
A = Öffnungsfläche des BR-Rohres
Vb = Nettovolumen des Gehäuses
Vas = Äquivalenzvolumen des Woofer
Fc = Fs * [wurzel aus (Vas / Vb)] +1
Qtc = Qts * [wurzel aus (Vas / Vb)] +1
Wenn Qtc < 0,7 ist dann nimm Faktor 0,75 zur Berechnung von Fb.
Wenn Qtc > 0,7 ist dann nimm Faktor 0,60 zur Berechnung von Fb.
Dann ergibt sich:
Fb = 0,6 * Fc oder
Fb = 0,75 * Fc
Die Reflexrohrlänge berechnet sich in Abhängigkeit von dem Durchmesser bzw. der Öffnungsfläche.
l = [(1176490 * A) / (39,4784 * Fb² * Vb)] - (0,5 * [wurzel aus (pi * A)])
A für diverse Rohrdurchmesser:
70mm = 38,5cm²
100mm = 78,5cm²
150mm = 176,8cm²
Für A kann man auch die Fläche von selbstgebauten Reflexöffnungen einsetzen. Berechnung von Bassreflex Gehäusen mit Taschenrechner Abkürzungen & TSP´s:
Fs = Freiluftresonanz der Lautsprechers
Qts = Gesamtgüte des LS
Vas = Äquivalenzvolumen
SD = wirksame Membranfläche des LS
AF = Öffnungs-Fläche des Reflexrohrs (Rund)
X = Querschnitt
Berechnung der mindest Portfläche (Reflexrohr):
AF > 0,1 x SD
Aus AF errechnet man X:
X = (Wurzel aus AF): 3,14 x 2
Volumenberechnung (Vb) des Bassreflex Gehäuses(Netto):
Vb = 15 x Vas x Qts2,87
Reflexrohrlänge (l) berechnen:
l = [(168939 x AF x Qts)²: (Fs² x Vb)] - [0,88x (Wurzel aus AF) ]

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