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ein wenig Kabeltheorie Dr.-Ing. Gottlieb Strassacker
früher Dozent für Elektrotechnik an der
Universität Karlsruhe

Die meisten technisch interessierten Menschen wissen, dass ein sehr niederohmiger Ausgangswiderstand eines Endverstärkers die ungewollten Einschwingvorgänge von Lautsprechern bedämpfen soll und kann. Ist jedoch die Zuleitung vom Verstärker zu den Boxen nicht auch niederohmig, dann können die Lautsprecher nur ungenügend bedämpft werden. Daher neigen wir dazu, Zuleitungen mit möglichst großem Leitungsquerschnitt  zu verwenden. Allerdings bedenken wir dann selten, dass im Audio-Frequenzbereich auch schon Stromverdrängung vorkommen kann. Für sehr niedere Frequenzen gilt ebenso wie für Gleichstrom das Ohmsche Gesetz mit einem Spannungsabfall U längs des Kabels. Dabei ist dieser Spannungsabfall mit R als Gleichstromwiderstand des Kabels und I als elektrischer Stromstärke darin:

(1) U = I . R
Damit geht zusätzlich ein Teil der Leistung, z.B. eines Verstärkers, die den Boxen zugeführt werden soll, verloren.  Diese Verlustleistung Pv in einem Kabel ist:
(2) Pv = I2 . R
wobei wieder I die Stromstärke im Kabel und R der Gleichstrom-Kabelwiderstand ist. (Damit diese Verlustleistungen auf 50 Hz-Überland-Hochspannungsleitungen nicht zu groß wird, erhöht man die Spannung auf einige hunderttausend Volt  und kommt dadurch mit geringerer Stromstärke aus, um immer noch genügend Leistung von einem Kraftwerk z.B. in eine mittelgroße Stadt zu übertragen.) Entsprechend handeln auch HiFi-Freaks, da aber die Spannung von einem Highend-Verstärker zu den Boxen nicht erhöht werden kann, verwendet man oft größere Zuleitungsquerschnitte, mitunter sogar bis 16 mm2.
 
Aber die großen Leitungsquerschnitte bei HiFi-Anlagen haben den Nachteil, dass im Bereich  von 10 bis 20 kHz der Strom durch die schon erwähnte Stromverdrängung aus dem Leiterinneren nach außen hin verdrängt wird, wodurch die wirksamen stromführenden Kabelquerschnitte für die hohen Frequenzen kleiner sind als für die niederen Frequenzen. Dadurch ist der Leitungswiderstand für die hohen Frequenzen größer als für die niederen. Bei Gleichstrom gibt es keine derartige Stromverdrängung. Wir müssen also die Stromverdrängung näher betrachten.  
 

Leitungsquerschnitt und Stromverdrängung

 
Da wir als Kabel in aller Regel kreisrunde Drähte verwenden, handelt es sich um allseitige Stromverdrängung. Auf die Herleitung der Formeln für diese allseitige Stromverdrängung, die über partielle Differentialgleichungen zu Besselfunktionen führt und recht kompliziert ist, soll hier verzichtet werden. Wir gehen gleich zu Näherungs-Endformeln über. Dabei gibt man das Verhältnis des elektrischen Widerstandes bei Stromverdrängung Rw zum Gleichstromwiderstand Rg an. Für geringe bis mittelstarke Stromverdrängung gilt solange X = ro(p f k m)1/2 /2 < 1 ist:
(3) Rw/Rg » 1+1+X4 /3
Ist jedoch X = ro(p f k m)1/2 /2 > 1,dann gilt fogende Näherung:
(4) Rw/Rg » X+0,25 + 3 / 64X

Die Gln.(3) und (4) sind recht einfach zu interpretieren. Die Stromverdrängung in einem kreisrunden Draht nimmt mit der Frequenz  und dem Radius des Drahtes zu. Praktisch bedeutet dies, dass Stromverdrängung auch schon bei f = 50 Hz dann stattfinden kann, wenn der Radius eines Drahtes größer als 1cm wird. Nun verwenden wir zum Glück in der Audiotechnik keine so großen Drahtqueschnitte, dafür aber Frequenzen bis 20 kHz.

Ist das Verhältnis Rw /Rg etwa gleich 1, dann wirkt sich praktisch keine Stromverdrängung aus. Ist es jedoch viel größer 1, dann liegt starke Stromverdrängung vor. Zugleich erhöht sich derjenige Teil der Induktivität des Kabels, der mit dem Magnetfeld innerhalb des Leiters zusammenhängt, nämlich dessen innere Induktivität Li, hier als Beispiel für X = ro(p f k m)1/2 /2 > 1:

(5) wLi /Rg » X - 3/ 64X + 3/128X2
Dabei bedeuten  w die Kreisfrequenz 2pf, m die universelle magnetische Feldkonstante (absolute Permeabilität). Sie ist in Kupfer: m = 4p10-7 Vs/Am,  k die Leitfähigkeit von Kupfer: k » 58 .106 A/Vm und  ro ist der Radius des verwendeten Drahtes. Aber im Allgemeinen ist dieser Anteil der inneren Induktivität eines Stromkabels bei Niederfrequenz vernachlässigbar klein oder zumindest nur ein Bruchteil der Gesamtinduktivität. Bei Stegleitungen z.B. und Niederfrequenz ist die Gesamtinduktivität L = Li + La eines Kabels 5 bis 10 mal so groß wie dessen innere Induktivität Li. Insgesamt jedoch sorgen die innere Induktivität Li und die äußere Induktivität La zusammen mit dem Stromverdrängungs-Wirkwiderstand Rw für den Spannungsabfall im Kabel. Dabei kann dessen äußere Induktivität berechnet werden aus dem magnetischen Fluss durch den Steg zwischen den Rändern der beiden Drähte:
(6) La =  Fa / I =   m òò Ha da / I

Dabei sind  Fa der äußere magnetische Fluss, der sich als Flächenintegral über m mal der äußeren magnetischen Feldstärke Ha durch den Steg der Stegleitung ergibt. m ist wieder die universelle magnetische Feldkonstante und „da“ ist das von Ha durchsetzte Flächenelement.

Wir wollen als Beispiel das Verhältnis Rw/Rg nach den Gln.(3) und (4) berechnen für die Kabelquerschnitte von  2,5,  4,0 und  16 mm2 . Ergebnis:

 

Drahtquerschnitt q = 2,5 mm2 4 mm2 4 mm2 4 mm2 16 mm2 16 mm2 16 mm2
Frequenz  f = 16 kHz 2 kHz 10 kHz 16 kHz 2 kHz 10 kHz 16 kHz
Rw / Rg 1,18 1,00 1,17 1,37 1,08 2,00 2,43
Rw pro m in Ohm 0,00814 0,00431 0,00504 0,00590 0,00117 0,00216 0,00262

 

Man sieht, bei q = 2,5 mm2 hat man selbst bei 16 kHz mit Rw /Rg » 1,18 noch keinen bemerkenswert erhöhten Leitungswiderstand gegenüber Gleichstrom. Bei großen Drahtquer-schnitten jedoch (Beispiel hier: 16 mm2) ist der Widerstandsunterschied mit Rw /Rg  » 2,43  zwischen niederfrequenten und hochfrequenten Strömen viel größer als bei kleineren Drahtquerschnitten (Beispiel hierzu: 4 mm2 ).  Im Allgemeinen ist daher sehr wohl anzuraten, dass man sich mit einem Drahtquerschnitt von 4 mm2 begnügt und dadurch für niedere und hohe Frequenzen keine großen Widerstandsunterschiede in Kauf nehmen muss.

Nur bei sehr starker Stromverdrängung besonders in der Hochfrequenztechnik werden die Formeln Gln.(3) und (4) noch einfacher. Man spricht dann vom Skin- oder Hauteffekt, weil Strom praktisch nur noch im äußeren Drahtrand oder in der Drahthaut fließt. Dann gilt als Näherungslösung:

(7) Rw /Rg  » wLi /Rg »ro/(2(wmk / 2)1/2
(8) Abkürzung:  d = (2 / wmk )1/2 als äquivalente Leitschichtdicke gegenüber einer Gleichstrom führenden Drahtstärke

Links: Mit zunehmender  Frequenz  und zunehmendem Durchmesser zunehmende Stromverdrängung zur Außenhaut des Leiters hin, hier  bezogen  auf gleiche Drahtstärke.

Rechts: Diagramm der Stromverdrängung: Rw /Rg und wLi /Rg.

Leistungen und Energietransport  in einem Kabel

Auf die Frage, wo wird die elektrische Energie eines Kabels transportiert, wird der Unvoreingenommene sofort antworten: Natürlich im Draht des Kabels. Er wird umso mehr überrascht sein zu erfahren, dass der Energietransport nicht im Drahtinnern, sondern im Dielektrikum durch elektrisches und magnetisches Feld als Träger der Energie erfolgt. Diese Behauptung müssen wir natürlich beweisen. Dazu benötigen wir Vektoren, das sind hier nicht nur gerichtete Zahlenwerte wie in der Mathematik, sondern physikalische Größen mit Zahlenwerten, Einheiten und Richtung!  Wir benötigen die Vektoren: E für die elektrische Feldstärke und H für die magnetische Feldstärke. Zur Unterscheidung von algebraischen Größen verwenden wir jeweils den Pfeil neben dem Buchstaben der physikalischen Größe. Die Einheiten sind:

(9)

[E ] = V/m;         [H] = A/m;         [E x H] = VA/m2

Schreibt man das Vektorprodukt  S = (E x H ) an, so definiert dies die senkrecht aufeinander stehenden Komponenten der beiden Vektoren  E  und H. Dies wird durch das x zwischen den beiden Vektoren gekennzeichnet. Man nennt dieses Vektorprodukt
(10) S = (E x H )

den Poyntingvektor der Energieströmung. Tatsächlich jedoch ist seine Einheit, wie aus Gl.(9) folgt VA/m2, also Flächendichte der Leistung. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einem Poyntingvektor Si  innerhalb und einem Poyntingvektor Sa außerhalb der stromführenden Drähte.                      

Richtungszuordnung: Die Vektoren E, H und S  bilden in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem. Das heißt, zeigt E in Richtung des Einsvektors ex, H in Richtung des Einsvektors ey, dann zeigt S in Richtung des Einsvektors ez.

Einsvektoren:

 

An und in einem kreiszylindrischen Draht verwendet man sinnvollerweise die vorangehend auch gezeichneten Zylinderkoordinaten mit den ebenso rechtswendig in folgender Reihenfolge einander zugeordneten Einsvektoren: er, ea  und ez,  also er x ea  = ez.

Wir betrachten jetzt zuerst die Felder innerhalb eines Drahtes. Infolge des Drahtwiderstandes erzeugt der Strom in Achsrichtung den oben schon genannten Spannungsabfall. Dieser bezogen auf die Längeneinheit ist die Komponente der elektrischen Feldstärke Ez im Leiter. Die magnetische Feldstärke ist rechtswendig zur Leitungsstromdichte zugeordnet, das magnetische bildet also sowohl innerhalb wie auch außerhalb eines einzigen kreisrunden Drahtes Kreise. Wir haben daher im Draht die Komponente Ha. Wegen des Rechtssystems von er x ea = ez ist bei vertauschten Vektoren  ez x ea  = - er Dies aber heißt, dass der Poyntingvektor  aus den Komponenten Ez und Ha im Drahtinnern nur die Komponente -Sr hat. Dies aber besagt: Die Leistung des elektromagnetischen Feldes im Drahtinnern fließt zur Drahtachse hin.  Dort wird sie zu null, wie man aus der Radialkomponente Sr von Si im Draht erkennt:

(11) Sr = Ez Ha(r) = Ez Jz p r2/ 2pr = Ez r Jz / 2

Jz ist die Leitungsstromdichte Jz = I / p r2, die wir hier als konstant über den Drahtquerschnitt voraussetzen. Sr ist daher eine reine Verlustleistungsdichte. Wird sie über die Gesamtoberfläche der Drähte integriert, so erhält man die Verlustleistung im Draht Pv = I2 . R.  Andere Leistungen, insbesondere diejenige, die zum Verbraucher (den Boxen) transportiert wird, kommt im Drahtinnern nicht vor! Wir untersuchen daher nun das Dielektrikum um die Drähte herum.

Vektoren stehen tangential an den gezeichneten Feldlinien des Feldverlaufs der Paralleldrahtleitung

An den Drahtoberflächen hat der Vektor E  zwei Komponenten: Die relativ kleine Komponente Ez in Längsrichtung des Drahtes. Sie haben wir bereits behandelt; ferner eine Komponente Er, senkrecht zur Achse der Drähte, die bei Stegleitungen über eine räumliche Feldverteilung hin zum Gegenleiter mit dem geringeren Potenial führt. Die magnetischen Feldvektoren im Dielektrikum stehen senkrecht auf den Vektoren mit den Komponenten Er und senkrecht zur Achse der Drähte.

Dadurch lautet das Vektorprodukt  

(12) Sa = Er er x Ha ea = Er Ha ez

Dies war zu zeigen. Die ganze zum Verbraucher transportierte Energie wird im Dielektrikum und nicht im Drahtinnern transportiert. Und bei genauerer Betrachtung durch Hinzunahme von Ez wird deutlich, dass der Energie transportierende Vektor nach Gl.(11) ein wenig schräg zur Drahtachse steht, da auch die Verlustleisung innerhalb der Drähte aus der im Dielektrikum vorhandenen und im Dielektrikum transportierten Energie entnommen wird.

Literaturhinweise:

Küpfmüller / Kohn, THeoretische Elektrotechnik und Elektronik, eine Einführung, Springer, 15. Auflage 1999

Gottlieb Strassacker, Rotation, Divergenz und das Drumherum, eine Einführung in die Elektromagentische Feldtheorie, Teubner, 4. Auflage 1999.

Strasssacker / Strassacker, Analytische und numerische Methoden der Feldtheorie, Teubner 1993.